Weißt du noch, wie es in Omas Küche gerochen hat, wenn sie den Teig geknetet hat? Dieses unwiderstehliche Aroma von frischem Weizen, vermischt mit der Vorfreude auf das gemeinsame Essen? Dieses Gefühl von purer, ehrlicher Handarbeit kannst du dir ganz leicht zurückholen. Denn Orecchiette selbst zu machen, ist kein Hexenwerk für italienische Nonnas, sondern ein wunderbar befriedigendes kleines Ritual für jeden, der Pasta liebt. Es geht nicht um Perfektion vom ersten Moment an, sondern um das Glück, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Und glaub mir, der Geschmack und die zufriedene Stille am Tisch, wenn du deine eigenen kleinen „Öhrchen“ servierst, sind jeden Krümel wert. Lass uns das zusammen anpacken!
Zutatenliste
Das Schöne an der Sache ist die schmerzlich einfache Grundlage. Du brauchst nur zwei Zutaten. Ja, du hast richtig gelesen: nur zwei.
- 300 g Hartweizengrieß (Semola di Grano Duro Rimacinata) – Das ist nicht irgendein Grieß! Nimm wirklich den feinen Hartweizengrieß. Er hat den hohen Klebereiweißanteil, der den Orecchiette ihren typischen Biss verleiht. Du findest ihn in jedem gut sortierten Supermarkt oder, noch besser, im italienischen Feinkostladen.
- 150 – 180 ml lauwarmes Wasser – Warum lauwarm? Ganz einfach: Es aktiviert den Grieß viel besser als kaltes und macht den Teig geschmeidig, ohne ihn klebrig zu machen. Fang mit 150 ml an, du kannst immer noch mehr hinzufügen.
Und das war’s schon. Kein Salz im Teig – das kommt später reichlich ins Kochwasser. Einige Puristen schwören auf einen Spritzer Olivenöl für eine geschmeidigere Textur, aber für den klassischen, rustikalen Charakter der Orecchiette aus Apulien lassen wir ihn weg.
Schritt-für-Schritt-Anleitung
Jetzt wird’s praktisch. Such dir eine große Arbeitsfläche aus – ein Küchentisch oder eine große Holzplatte ist perfekt. Eine Schüssel ist hier eher hinderlich, wir arbeiten direkt auf der Fläche, ganz traditionell.
1. Den Teig formen und kneten
Häufe den Grieß in der Mitte deiner Arbeitsfläche zu einem kleinen Berg und mach eine Mulde in der Mitte, wie einen Vulkankrater. Gieße etwa 150 ml des lauwarmen Wassers langsam in die Mulde. Jetzt kommt der magische Teil: Beginne mit den Fingerspitzen, den Grieß von den Innenwänden deines Kraters langsam in die Mitte zum Wasser zu schieben. Es wird zunächst krümelig und sieht aus, als würde es niemals ein Teig werden – das ist völlig normal und der entscheidende Moment, in dem die meisten zu früh aufgeben!
Arbeite alles zusammen, bis du eine grobe, krümelige Masse hast. Jetzt beginnt das Kneten. Drücke, schiebe und walke den Teig mit dem Handballen für mindestens 10 Minuten. Erlaube dir, Kraft auszuüben. Der Teig wird sich langsam verwandeln: von krümelig zu fest, dann zu geschmeidig und schließlich zu glatt und elastisch. Wenn er sich zu trocken anfühlt und Risse bekommt, befeuchte einfach deine Fingerspitzen mit etwas Wasser und knete weiter. Dies ist kein schneller Prozess, sondern eine Meditation. Nach 10 Minuten solltest du einen festen, glatten und wunderbar elastischen Teigballen in Händen halten.
2. Die Ruhephase – der unterschätzte Held
Wickle den Teig in Klarsichtfolie oder lege ihn unter eine umgedrehte Schüssel. Lass ihn jetzt für mindestens 30 Minuten bei Raumtemperatur ruhen. In dieser Zeit entspannt sich das Klebereiweißnetzwerk. Der Teig wird noch geschmeidiger, lässt sich viel leichter ausrollen und reißt nicht mehr so schnell. Überspringe diesen Schritt nicht – er ist der Game-Changer!
3. Die Würste formen und die kleinen Öhrchen entstehen lassen
Schneide deinen Teig in vier gleich große Portionen. Nimm eine Portion und rolle sie mit den Handflächen zu einer langen, dünnen Wurst von etwa 1 cm Durchmesser. Die anderen Portionen bleiben bitte abgedeckt, damit sie nicht austrocknen.
Jetzt kommt die charakteristische Form. Schneide die Teigwurst in kleine, etwa 1 cm breite Stücke. Nimm ein stumpfes Messer (ein Buttermesser ist ideal) und ziehe jedes Stückchen mit leichtem Druck über die Arbeitsfläche. Du wirst sehen, wie es sich um die Klinge des Messers wickelt und eine kleine, leicht gewölbte Schale bildet. Jetzt nimmst du dieses kleine Gebilde, drehst es vom Messer auf deinen Daumen (oder deinen Zeigefinger) und streifst es mit einer schnellen, umstülpenden Bewegung ab. Voilà! Deine erste Orecchiette! Innen ist sie leicht rau, außen glatter – perfekt, um später die Sauce festzuhalten.
4. Der letzte Schliff und die Trocknung
Lass die Orecchiette nebeneinander auf einem mit Grieß bestäubten Backblech oder einem Küchentuch liegen. Sie sollten sich nicht berühren. Lass sie nun für etwa eine Stunde an der Luft trocknen, bevor du sie kochst. Das verhindert, dass sie im Kochwasser zusammenkleben und gibt ihnen den finalen Biss.
Anmerkungen und Variationen
Häufige Fehler und wie du sie vermeidest
- Der Teig ist zu klebrig: Du hast zu viel Wasser verwendet. Keine Panik! Bestäube deine Hände und die Arbeitsfläche einfach großzügig mit etwas Hartweizengrieß und knete weiter, bis sich der Teig löst.
- Der Teig reißt beim Formen: Entweder war die Ruhezeit zu kurz oder der Teig ist zu trocken. Beim nächsten Mal etwas mehr Wasser verwenden oder für die jetzige Charge die Teigstückchen vor dem Formen kurz zwischen den Handflächen anwärmen und weich kneten.
- Die Orecchiette fallen im Kochwasser auseinander: Sie waren nicht lange genug getrocknet oder du hast nicht genug Salz ins Kochwasser gegeben. Das Wasser sollte salzig schmecken wie die Adria.
Spiel mit den Farben und Aromen
Trau dich, zu experimentieren! Du kannst einen Teil des Wassers durch andere Zutaten ersetzen:
- Spinat-Orecchiette: Püriere 100 g blanchierten, gut ausgedrückten Spinat und mische ihn mit dem Wasser. Du erhältst wunderschöne grüne Pasta, die perfekt zu einer cremigen Ricotta-Sauce passt.
- Safran-Orecchiette: Weiche eine Prise Safranfäden im lauwarmen Wasser ein. Das verleiht nicht nur eine wunderbare goldene Farbe, sondern auch ein einzigartiges, blumiges Aroma.
- Vollkorn-Variante: Ersetze die Hälfte des Hartweizengrießes durch feinen Dinkel- oder Weizenvollkorngrieß für eine nussigere Note und mehr Ballaststoffe.
Die klassische Sauce zu Orecchiette ist natürlich „Cime di Rapa“ (Stängelkohl). Aber sei kreativ! Deine eigenen Pasta verdienen jede Sauce, die du liebst. Eine einfache Tomatensauce, eine cremige Walnuss-Pesto oder einfach nur frisches Olivenöl, Knoblauch und scharf geröstete Semmelbrösel – alles funktioniert.
Und denk dran: Die ersten zehn Orecchiette sehen vielleicht aus, als hätten sie einen Kampf hinter sich. Aber irgendwann, ganz plötzlich, findest du deinen Rhythmus. Es wird zur reinen Muskelarbeit, fast wie Meditation. Du hörst auf darüber nachzudenken und deine Hände wissen einfach, was zu tun ist. Genau das ist die Magie. Also, schnapp dir den Grieß und leg los. Deine Küche riecht gleich nach Italien.




